Die
letzte Kreistagssitzung des Jahres 2019 und ihre journalistische
Nachbetrachtung zeigt eindrucksvoll auf, wie des Volkes Wille umgesetzt werden
soll.
Zum
besseren Verständnis wird bewusst nochmals auf historische Entwicklung
eingegangen und diese in den Grundzügen in Erinnerung gerufen. Bereits im Jahre
2004 stand die Existenz des Calwer Krankenhauses nach dem sog.
Oberender-Gutachten auf dem Spiel. Danach sollten wesentliche Teile nach Nagold
verlegt werden. Die Umsetzung scheiterte am Widerstand der Calwer Bevölkerung
und führte letztlich zur Gründung des Vereins Pro Krankenhäuser Calw und
Nagold, zu dem die BI gehört.
Es
wurde später immer wieder verkündet, das derzeitige Krankenhaus in Calw kann
aus Brandschutzgründen und einer nicht behebbaren Unorganik nicht mehr lange
betrieben werden.
Sodann
wurde zehn Jahre später das sog. GÖK-Gutachten in Auftrag gegeben. Dieses
Schlug für Calw ein 90-Bettenhaus vor und den Ausbau von Nagold zu einem
Schwerpunktkrankenhaus. In diesem Gutachten wurde Nagold ein Gewinn von 5 Mio.
€ pro Jahr prophezeit. Die BI hat damals schon bewiesen, dass wesentliche
Aussagen im Gutachten falsch und die Zahlen irreal waren.
Die
Reaktion des Landrats war das sog. Bürgerforum, auf das sich der Landrat noch
heute gebetsmühlenhaft beruft. Dieses Forum war nachweislich nicht
ergebnisoffen, vielmehr wurde dort die Diskussion zur Abwehr eines
Zentralkrankenhauses zwischen Calw und Nagold und eines
Schwerpunktkrankenhauses in Nagold gesteuert. Ein Teilnehmer sagte dazu
Folgendes: „Wir wurden am Nasenring zum gewünschten Ergebnis geführt. Keiner
hat die Veranstaltung unter Protest verlassen, weil wir dies nicht für möglich
hielten und das gewollte Ergebnis erst bei der Zusammenfassung so erkennbar
war.“ Aufgrund des Ergebnisses der gelenkten Diskussion mit Unterstützung des
sog. GÖK-Gutachten haben die Sprecher des Bürgerforums resigniert und sich vor
den Karren mit der Aussage spannen lassen: „Mehr war für Calw nicht drin.“ Ein
Ergebnis, das der damalige Kreisrat übernommen hat und einen entsprechenden
Beschluss zur Umsetzung vor fünf Jahren fasste.
Dieses
Kleinkrankenhaus wäre nicht überlebensfähig gewesen und zwangsläufig zur
Portalklinik geschrumpft. Sodann wäre ein „Hauptverbandsplatz“ entstanden und
die Hesse-Bahn zum „Lazarettzug“ degradiert worden. In Calw gab es dann sicherlich
gelenkt von der BI erheblichen Widerstand zu diesen Plänen, denn der sog.
Kliniksimulator bestätigte, dass Calw zu den wenigen Krankenhäusern in
Deutschland gehört, die im Interesse der wohnortnahen Versorgung nicht
aufgelöst werden können, weil ein Patient innerhalb von 30 Minuten in ein
Krankenhaus erreichen können muss. Dies führte nicht nur zu mehreren
Veranstaltungen der BI, sondern auch des Landrats. Die erste Veranstaltung im
Landratsamt, bei der die Bürger in einen Videoraum verbannt werden sollten,
musste nach Tumulten abgebrochen werden. Bei der Wiederholungsveranstaltung in
Calw-Stammheim hat der Landrat dann öffentlich zugesichert, dass in Calw
weiterhin an 24 Stunden und 7 Tagen in der Woche Herzinfarkte und Schlaganfälle
behandelt werden können. Zur Absicherung dessen verbleibt die Orthopädie in
Calw und es werden mehr Betten gebaut. Zwischenzeitlich ist der Stand 154
Betten; derzeit sind es aber bei einer tatsächlich gegeben Vollauslastung 185
Betten.
Ist es mit Blick auf die jüngste Vergangenheit verwunderlich, dass man das neue Medizinkonzept kritisch beäugt? Zutreffend hat Kreisrat Dr. Walz in der Kreistagssitzung nachgefragt, warum die Pläne in der Beschlussvorlage bei einer Vergrößerung — die zur Überprüfung notwendig ist — nicht mehr lesbar sind und ob dahinter ein System steckt.
Wie
früher drängen sich wieder Zweifel an der Planung auf, denn das Haus scheint
räumlich und funktional zu klein zu geraten, weswegen Optimierungen notwendig
sind. Es gehört bei staatlichen Bauvorhaben zur Realität, dass die Erkenntnis
zur Optimierung erst in der Bauphase entsteht, was teilweise zu beträchtlichen
Kostensteigerungen führt. Diese notwendige Optimierung wurde von Dr. Plappert,
dem Sprecher der CDU-Fraktion, in der Kreistagssitzung angemahnt. Die Änderung
der Planung um eine Klimatisierung der Patientenzimmer in Calw und Nagold ist
nämlich nicht genug. Eine berechtigte Frage ist, wie kann man in der allseits
beklagten Zeit der Erderwärmung ein Zukunfts-Krankenhaus ohne Klimatisierung
planen? Schließlich ist jedes Bundeswehr-Feldlazarett klimatisiert! Was völlig
fehlt, sind umweltverträgliche Maßnahmen zur Energiebeschaffung nicht nur für
diese Klimatisierung, sondern für den Betrieb. Hier sind insbesondere die
GRÜNEN im Kreistag in Richtung einer weiteren Optimierung gefordert.
Wenn
ein Kreisrat, der zudem noch Chefarzt und stellvertretender
Fraktionsvorsitzender ist, auf die Planungsmängel hinweist, dann wird er rüde
in der Presse vom Hofberichterstatter Buckenmaier abgekanzelt. Es wird ihm
Befangenheit unterstellt, obwohl das Regierungspräsidium dies ausdrücklich
verneint hat, soweit es nicht um ihn persönlich geht. Wäre eine Befangenheit
vorliegend, müsste man jedem Bürgermeister im Kreistag das Wort verbieten, wenn
es um die Kreisumlage geht. Aber in dieser Frage ist dieser Personenkreis im
Kreistag fast nicht zu bremsen.
Trotz der bestehenden Bedenken wurde die Vorlage zur Abstimmung gestellt, nachdem der Erste Landesbeamte Dr. Wiehe ein Ende der Diskussion gefordert hat. Man muss sich schon fragen, ob diese medienwirksame Reaktion gerechtfertigt war. Eindeutig nein, denn es werden Fakten verdreht. Man weiß heute — insb. nach den Stellungnahmen und Veranstaltungen der verpönten „besserwisserischen“ BI und den niedergelassenen Ärzten‑, die Annahmen in 2015 waren falsch und die Beschlusslage muss korrigiert werden. Eine Erkenntnis zu der man aber erst 2018 kam. Dies ist ‑entgegen der Intervention von Herrn Dr. Wiehe — beim Staat kein langer Planungs- und Entscheidungszeitraum. Die Intervention führte aber zum Erfolg, denn der Kreistag stimmte der Beschlussvorlage ohne Gegenstimmen bei vier Enthaltungen zu. Von Herrn Buckenmaier wird Dr. Wiehe ausdrücklich dafür gelobt, gelobt, weil ihm wegen der jahrelangen und langwierigen Diskussion über das Calwer Krankenhaus der „Kragen geplatzt“ ist.
Die
völlig unnötigen und substanzlosen Attacken von Herrn Buckenmaier erhärtet den
Slogan von der Lügenpresse. Die Presse ist nicht die vierte Gewalt in unserem
Staat! Deswegen sind mehr Recherche und Objektivität von Nöten. Es spricht
schon Bände, wenn der Redakteur einen Redner einer falschen Fraktion zuordnet,
so wie das bei Dr. Zoufaly geschehen ist. Im Übrigen gab es in den Artikeln des
Schwarzwälder Boten keinen Hinweis zur Stellungnahme von Dr. Plappert für die
CDU-Fraktion. Das passte anscheinend nicht in das Konzept.
Einen
solchen Journalismus, der durch die Herren Buckenmaier und S. Bernklau seit
Jahren gepflegt wird, kann man schlicht nur als Gefälligkeitsjournalismus
bezeichnen. Es wäre zu begrüßen, wenn die Chefredaktion des Schwarzwälder Boten
die Gründe hinterfragen würde. Diese dürften ‑wie fast immer- sehr trivial
sein. Schließlich berichten diese Herren fast exklusiv über Vorhaben des
Landrats, des Landkreises und der Kreistagssitzungen.
Was auch noch auffiel, war das teilweise respektlose Verhalten des Klinikgeschäftsführers Loydl gegenüber den ärztlichen Kreisräten ‑einschl. seinem Chefarzt -, der arrogant und nichtsagend versuchte, Gegenargumente wegzuwischen. Fast 80 % aller Krankenhäuser haben derzeit Personalprobleme, auch die Kliniken im Klinikverbund Südwest. Der Betrieb der Krankenhäuser kann teilweise nur mittels teurer Leiharbeitskräfte sichergestellt werden. Wenn so im Innenverhältnis mit Arbeitnehmern umgegangen wird, wie es der Auftritt des kaufmännischen Geschäftsführers im Kreistag vermuten lässt, dann braucht man sich nicht verwundern, wenn Personal dem Klinikverbund den Rücken zuwendet. Der Aufsichtsrat, aber auch der Kreistag ist in Anbetracht der Verlustsituation gefordert, von der Geschäftsführung des Klinikverbunds ein Personalkonzept einzufordern, in dem die Grundsätze der Menschenführung nicht nur auf Hochglanzpapier stehen. Schließlich sind 2,5 Mio. € für Leihpersonal zu hoch.
Zur
Verbesserung und Nachhaltigkeit der Personalsituation bedarf es auch Konzepte
für krankenhausnahe Personalwohnungen und Kindertagesstätten, die den
Schichtbetrieb eines Krankenhauses abdecken.
Noch
ein weiteres Wort zu der Führung des Klinikverbunds. Dem Patienten ist es
völlig egal, wer Geschäftsführer oder Personalchef ist. Ihm kommt es auf die
ärztliche und pflegerische Versorgung an. Die Geschäftsführung und ihr Personal
sind ein wichtiges Rad im System; aber wenn dies nicht funktioniert, entsteht
Sand im Getriebe.
Aber
selbst bei bester Führung wird es nicht gelingen, ein Krankenhaus der
allgemeinen Gesundheitsversorgung verlustfrei zuführen. Dies ist leider
Ausfluss der mangelnden Vergütung durch die gesetzlichen Krankenkassen und der
Nichtübernahme der notwendigen Investitionen durch Land und Bund. Folglich wird
auch in der Zukunft der Landkreis Verluste in Nagold und Calw ausgleichen
müssen.
Stets
wird man gefragt, ob mit dem neuen Krankenhaus die Versorgung der Patienten
besser wird. Für Calw gibt es keine Verbesserung der klinischen Versorgung,
denn die Neurologie wird nach Nagold verlegt und das für die Orthopädie
sinnvolle Therapiezentrum entfällt. Niemand hat es früher es für notwendig
empfunden, dass in Calw und Nagold ein Linksherzkathedermessplatz notwendig
ist. Heute redet man nicht mehr darüber, sondern es ist eine Maßnahme der
wohnortnahen Versorgung. Die Verlagerung der Neurologie muss man wohl
akzeptieren, aber es muss eine Lösung für Calw hinsichtlich der
Schlaganfallversorgung gefunden werden, damit die vom Landrat zugesagte
Akutversorgung von Schlaganfällen in Calw weiter möglich ist.
Eines
wird dem Landrat uneingeschränkt attestiert, seine Idee vom Gesundheitscampus
kann zukunftsführend sein. Hierauf wurde aber bereits im Leserbrief vom
19.11.2019 hingewiesen, der am 3.12.2019 auch im Schwarzwälder Boten abgedruckt
wurde.
Für das neue Jahr — oder gar das neue Jahrzehnt — muss man sich für die Kliniken Calw und Nagold wünschen, dass wieder der Grundsatz „ein Krankenhaus an zwei Standorten“ gelebt wird, denn nur dann wird die magische Zahl von 400 Betten überschritten. Dies erfordert aber ein Umdenken im südlichen Landkreis, welches in Anbetracht des Um- und Erweiterungsbaus in Nagold und dem Neubau in Calw möglich sein müsste. Die dauernde Konkurrenz schadet dem Landkreis, zumal größere Gebiete im Westen des Landkreises nicht durch die beiden Kliniken in der Erstversorgung abgedeckt werden.
Der
Landrat redet stets von Transparenz. Dazu gehört aber auch, dass man
konstruktive Kritik nicht verteufelt, sondern mit dieser sich auseinandersetzt.
Wäre das in der Vergangenheit erfolgt, dann hätte man bereits früher gemerkt,
dass das GÖK-Gutachten, das Grundlage der früheren Kreistagsentscheidung war,
nicht nur falsch waren, sondern auch von der Bevölkerung nicht akzeptiert wird.
Wen wundert es, dass die Bürger dann politikverdrossen werden.
Deswegen
wird die BI weiterhin auf Optimierungen drängen, dazu gehören
- die Absicherung der Akutbehandlung von Schlaganfällen,
- die Vergrößerung des Neubaus von Anfang, denn eine spätere Erweiterung
führt zu beträchtlichen Kostensteigerungen,
- der Verbleib der sog. Sterilisationseinheit in Calw, weil durch den
Verbleib der Orthopädie dort das meist Sterilisationsgut entsteht,
- krankenhausnahe Personalwohnungen und
- eine krankenhausnahe Kindertagesstätte, die den Schichtbetrieb im
Krankenhaus abdeckt.
Von Prof. Bernd Neufang, Ostelsheim
Stellvertretender Vorsitzender von Pro Krankenhäuser Calw und Nagold e.V.