20221103 BI - Selbstständig oder nicht

Thema des Monats

November 2022

Selbstständig oder nicht? - Die Möglichkeiten der Berufsausübung eines Arztes

Grundsätzliches

  • Die Entscheidung - Anstellung oder Selbstständigkeit - sollte vor dem 40. Lebensjahr getroffen werden.
  • Die ständigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungsprozesse beeinflussen Berufsstand und Berufsausübung.
  • Die Entscheidung bzgl. gesetzlicher oder privater Krankenversicherung sollte aufgrund der Beitragshöhe frühzeitig - vor dem 40.Lebensjahr - getroffen werden.


Anstellung oder Selbständigkeit

Anstellung

Das Berufsleben aller freiberuflichen Ärzte beginnt in einer Anstellung. Das tradierte Ziel ist die Freiberuflichkeit, sofern man keine wissenschaftliche Tätigkeit anstrebt. Daneben gibt es die Möglichkeit als angestellter Arzt in einem Krankenhaus, einem MVZ oder einer vergleichbaren Einrichtung zu arbeiten.

Entscheidend ist, dass bei einem Angestelltenverhältnis der Kassensitz immer dem Unternehmen gehört.  

Vorteile:  

  • Zweifelsfrei trägt man als angestellter Arzt keine unmittelbare unternehmerische Verantwortung, jedoch eine mittelbare. Man ist dem Risiko der Kündigung, Vertragsauflösung oder Nichtverlängerung eines Zeitarbeitsvertrages unterworfen.
  • Der größte Vorteil der Anstellung sind geregelte Arbeitszeiten.
  • Vom Arbeitgeber wird ein Anteil zur Kranken- und Pflegeversicherung und zur Altersversorgung geleistet. 
  • Die heute im Fokus stehende Work-Live-Balance ist bei einer Anstellung besser erreichbar.    

Nachteile:

  • Die Verdienstmöglichkeiten sind eingeschränkt. Bei einer Anstellung in einem Haus der Grund- und Regelversorgung kann das Gehalt durch zusätzliche Dienste aufgestockt werden. In größeren Häusern ist zunehmend der Freizeitausgleich die Regel. Das Gehalt in Reha-Kliniken, MVZ oder anderen Einrichtungen orientiert sich an der Anstellung. 


Selbstständigkeit

Der Freiberufler kann frei entscheiden, ob er am Samstag oder Sonntag arbeitet.

In jedem Fall sollte er mit 60 schuldenfrei sein, denn die selbstgenutzte Immobilie gehört zur Altersversicherung. Die Aussage darf nicht als starre Grenze verstanden werden, insbesondere nicht bei Frauen, bei denen der Ehemann eine eigene Altersversorgung aufbaut.

Vorteile

  • Der entscheidende Vorteile ist die Möglichkeit der Selbstbestimmung der Tätigkeit und damit die Höhe der beruflichen Belastung.
  • Man ist dem Berufsrecht und der Honorarordnung unterworfen, aber keiner Organisationsstruktur und damit ist eine höhere Flexibilität im persönlichen Bereich verbunden. 
  • Zweifelsfrei erwirtschaftet ein selbstständiger Arzt ein höheres Einkommen als ein angestellter. 

Nachteile:

  • Hoher Aufwand zur Bewältigung der Bürokratie. 
  • Sowohl für eine Praxisgründung oder -übernahme sind Kenntnisse einer Unternehmens- und Personal-führung erforderlich.
  • Die Altersversorgung ist selbst zu stemmen und kann z.T. über ein Versorgungswerk geschehen.    


Praxisübernahme versus Praxisgründung

Praxisübernahme

Bei der Übernahme einer laufenden Praxis besteht des Wesentliche in der gleitenden Überführung von  Patienten, Personal, Einrichtung und bestehenden Verträgen. 

Praxisgründung

In einer Zeit der hausärztlichen Unterversorgung besteht in dieser Angelegenheit kein großes unternehmerisches Risiko. Ganz im Gegenteil! Häufig stellen die Kommunen verbilligt oder unentgeltlich Praxisräume für die Zeit des Praxisaufbaus zur Verfügung.


Wirtschaftliche Parameter

Due diligence oder Praxisbewertung bei einer Praxisübernahme

  • In den zurückliegenden Jahren wurde der Wert einer Praxis als ein wesentliches Asset und damit u.a. als Baustein der Altersversorgung gesehen. 
  • Im Hinblick auf den Hausarztmangel ist dieser Aspekt überholt und führt dazu, dass in Regionen mit hausärztlicher Unterversorgung der Wert einer Praxis gegen Null geht. Die Praxiseinrichtung wird häufig nicht oder nur mit einem Buchwert versehen. Vor dem Hintergrund der Digitalisierung erfolgt für eine Bibliothek kein Wertansatz.   


Businessplan

  • Am Anfang steht der Kapitalbedarf, der finanziert werden muss. Dazu ist ein Businessplan zwingend zu erstellen. Essentielle Kostenfaktoren sind:
  • Miete für Praxisräume
  • Nebenkosten
  • Haftpflichtversicherung
  • Zinsaufwendungen
  • sonstige Aufwendungen für die Praxis.
  • In der Berechnung der Liquidität (Cash-Flow) sind von den geschätzten Einnahmen zusätzlich abzusetzen:
  • Tilgungsraten
  • Zahlungen an das Ärztliche Versorgungswerk. Hier gibt es in der Existenzgründerphase Erleichterungen.
  • Privatentnahmen (Lebenshaltungskosten)


 Finanzierung

  • In Regionen mit hausärztlicher Unterversorgung gibt es Zuschüsse von der KV. 
  • Für Existenzgründer bietet die KFW zusätzlich Darlehen an. 


Wie könnte die Struktur der hausärztlichen Versorgung künftig aussehen? Praxisgemeinschaft

  • Die Zukunft der freiberuflich Tätigen gehört nicht mehr den "Einzelkämpfern". Optimal erscheint die  Zusammenarbeit mit drei Ärzten auch vor dem Hintergrund, dass die Struktur des Ärzteberufes zunehmend weiblicher wird.  
  • Die Vorteile einer Gemeinschaftspraxis sind: 
  • Möglichkeit zur Spezialisierung,
  • Bessere Vertretungssituation,
  • flexiblere Personalsituation, was sich positiv auf die Versorgung der Patienten und das Betriebs-ergebnis auswirkt,
  • Verteilung der Last der Unternehmensführung auf mehrere Schultern -> Work-Live-Balance


  • Die Voraussetzungen sind: 
  • Teamfähigkeit, jeder muss zurückstecken können und wollen,
  • Die Gewinnverteilung orientiert sich am Arbeitseinsatz,
  • PKW's sollten kein Gesellschaftsvermögen sein, sondern ein steuerrechtliches Sonder-Betriebs-vermögen des Arztes. Die Aufwendungen mindern den Gewinn des jeweiligen Gesellschafters.
  • Die Ehepartner sollten aus dem Praxisbetrieb "herausgehalten" werden. Eine Güterstandsregelung  ist zu empfehlen.   


Gesellschaftsformen mit Haftungsbeschränkung

Ärzte können eine Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung gründen. Das hat den Vorteil, dass keine Haftung der anderen Partner mit dem Privatvermögen besteht. In Bezug auf den behandelnden "Arzt"-Partner geht die herrschende Meinung weiter von einer unbeschränkten Haftung für Behandlungs- und Aufklärungsfälle aus, soweit die Versicherungssumme von 5 Mio € überschritten ist. Bei anderen Freiberuflern muss nur bei grober Fahrlässigkeit gehaftet werden. Daher sind Einzelheiten mit dem Versicherer abzuklären.


Vernetzung ist gefragt.

Demnach ist ein "Gesundheitshaus" ein entscheidender Vorteil, wenn darin neben einer Hausarztpraxis weitere Fachärzte oder Betreiber einer gesundheitsrelevanten Branche angesiedelt sind.    


Anstellung in einem Primärversorgungszentrum

  • In einem Primärversorgungszentrum ist man ein angestellter Arzt, der seine Praxis selbst aufbauen muss. Man ist kein freier und/oder eigenverantwortlicher Hausarzt, und der Kassensitz gehört dem Haus.    
  • Der Vorteil eines Primärversorgungszentrum liegt zweifelsohne in der Bündelung und Bereitstellung von administrativen Diensten wie z.B. Bereitstellung der technischen Infrastruktur, Bereitstellung des ärztlichen Anwendungs- und Dokumentationssystems, Reinigungsdienst, Sicherheitsdienst.
  • Hinsichtlich der Patientenversorgung ist der erste Ansprechpartner in einem Primärversorgungszentrum der sog. Case-Manager und nicht der Hausarzt.
  • Das Modell "Primärversorgungszentrum" ist interessant für
  • ältere Ärzte, die ihre Praxis aufgeben wollen, keinen Nachfolger finden und noch für einen bestimmten Zeitraum in Teilzeit arbeiten möchten. 
  • für Ärztinnen, die wegen Kinder und Familie keine eigene Praxis führen möchten.


Ärztliches Dienstleistungszentrum

Wenn Hausärzte die administrativen Vorteile eines Primärversorgungszentrum nutzen wollen, dann ist der Weg zu einer Personengesellschaft, deren Gesellschafter die Ärzte sind, zielführender. 

Es können Leistungen eingekauft werden, und die Selbstständigkeit bleibt bestehen. 





 




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