220529 BI - Unfallchirurgie_Orthopädie

geschrieben am

29.05.2022

Stellungnahme der Arbeitsgruppe 3 Unfallchirurgie und Orthopädie

von Dr. Friedrich Hezel

Bisher lag der Schwerpunkt der stationären unfallchirurgischen Versorgung des Kreises Calw am Standort Calw mit der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie. In Nagold wurde eine Grundversorgung Unfallchirurgie vorgehalten. Dieses Grundprinzip hat sich bewährt und als wirtschaftlich erwiesen. Der Schwerpunkt der unfallchirurgischen Versorgung soll nun im neuen Medizinkonzept von Calw nach Nagold verlagert werden. Damit erfolgt neben dem Standortwechsel auch eine Trennung zwischen „spezieller Unfallchirurgie“ und orthopädischer Chirurgie, die eigentlich zusammengehören sollten. 

Regionale Bevölkerungsstruktur / Größe des Einzugsgebietes / Erreichbarkeit

Auf Grund des größeren Einzugsgebietes, der höheren Bevölkerungsdichte des Standortes Calw und der Verlängerung der Erreichbarkeitszeiten für 23.344 Einwohner bei Entscheidung gegen den Standort Calw gegenüber 13.003 Einwohner bei der Entscheidung gegen den Standort Nagold sollte zur Sicherung einer bestmöglichen Versorgung der Bevölkerung für eine spezielle Unfallchirurgie der Standort Calw beibehalten werden.

Synergieeffekte zwischen Unfallchirurgie und Orthopädie

Eine reine Unfallchirurgie wird Probleme bekommen, gelenknahe oder periprothetische Frakturen in der gebotenen Qualität zu versorgen. Bei gelenknahen und periprothetischen Frakturen muss das Team endoprothetisch geübt sein. Auch bedarf es Endoprothesen und Endprothesenwechselsysteme vor Ort (Instrumente und Implantatelager). Die Verknüpfung der speziellen Unfallchirurgie mit der Orthopädie gewährleistet eine deutlich versiertere Versorgung von Schenkelhalsfrakturen mit Endoprothesen durch die mehrfach häufig durchgeführten elektiven Eingriffe. Dies kann am Beispiel Calw verdeutlicht werden. 


Die Verknüpfung der Unfallchirurgie mit der Orthopädie ist auch für die Ausbildung zum Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie wichtig. Die Zuordnung von Assistenten gemeinsam in eine Unfallchirurgie und Viszeralchirurgie ist problematisch, da diese Kliniken bereits nach 2 Jahren "Common Trunk" gänzlich verschiedene Ausbildungswege aufweisen.

Wirtschaftlichkeit

Bereits jetzt ist mit der personellen Ausstattung der Chirurgie in Nagold eine qualitativ hochwertige unfallchirurgische Grundversorgung gewährleistet. Eine unter wirtschaftlichen Aspekten riskante Verlagerung der speziellen Unfallchirurgie von Calw nach Nagold erscheint unter diesen Umständen als wenig sinnvoll. Eine reine unfallchirurgische Abteilung ist fast immer unwirtschaftlich. Es ist fraglich, ob die Fallzahlen eine Vollabteilung für Unfallchirurgie in Nagold tragen würden.

Personelle Machbarkeit

Ein weiteres Problem für eine Unfallchirurgie in Nagold könnte die Personalgewinnung darstellen. Eine solche Abteilung wäre für die Ausbildung zum Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie wenig attraktiv. Die Weiterbildungsordnung sieht für diese Facharzt-bezeichnung eine 48 monatige Ausbildung in einer Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie vor, was es erschweren würde, für eine reine Unfallchirurgie ausreichend Assistenzärzte zu gewinnen.



Struktur und Schwerpunktbildung der Klinik für Unfall- und Orthopädische Chirurgie in anderen ausgewählten Regionen

Um auch Erfahrungen anderer Regionen bzw. Klinikverbünde mit der Unfallchirurgisch/orthopädischen Schwerpunktbildung in die Entscheidungsfindung einfließen zu lassen, wurden die Struktur und Schwerpunktbildung der Kliniken für Unfall- und Orthopädische Chirurgie der Medius Kliniken Kirchheim und Nürtingen, des Klinikverbundes Oberschwaben (des St. Elisabethen-Klinikums in Ravensburg, das Westallgäu-Klinikums in Wangen und des Krankenhauses Bad Waldsee) und der Kliniken Sindelfingen und Böblingen untersucht.

Medius Kliniken Kirchheim und Nürtingen

Trotz der räumlichen Nähe der Klinikstandorte Kirchheim und Nürtingen ist der unfallchirurgische Schwerpunkt (in Nürtingen ausgewiesen durch das zertifizierte regionale Traumazentrum) am Standort Nürtingen angesiedelt, dem Standort, an dem auch der orthopädische Schwerpunkt (das zertifizierte Endoprothetikzentrum der Maximalversorgung) anzutreffen ist.

Das Beispiel der Medius Kliniken Kirchheim/Nürtingen liefert keine Argumente, den Standort des unfallchirurgischen Schwerpunkts (z.B. regionales Traumazentrum) vom Standort des orthopädischen Schwerpunkts (z.B. zertifiziertes Endoprothetikzentrum) zu trennen.

Oberschwabenklinik

Auch bei dem Verbund Oberschwabenklinik ist die Unfallchirurgie mit der Orthopädischen Chirurgie jeweils eng verknüpf. So ist die Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie im St. Elisabethen-Klinikum in Ravensburg die größte orthopädisch operative Klinik der Oberschwabenklinik und gleichzeitig als überregionales Traumazentrum zertifiziert. Die Unfallchirurgie des Westallgäu-Klinikums in Wangen ist als zweitgrößte orthopädisch operative Klinik als regionales Traumazentrum zertifiziert. Entsprechend der Medius Klinik Kirchheim/Nürtingen zeigt sich auch hier wieder die enge Verknüpfung der Unfallchirurgie zur Orthopädischen Chirurgie. 

Kliniken Böblingen und Sindelfingen

Im Klinikum Böblingen wurde die Unfallchirurgie in das Klinikum Sindelfingen verlegt, um auch hier eine enge Verknüpfung zwischen Unfallchirurgie und orthopädischer Chirurgie herzustellen.

Fazit für Calw und Nagold

Die kritische Distanz zwischen den Kreiskliniken Calw und Nagold von 30 km mit 36 Min. Fahrzeit legt nahe, dass auch in Nagold eine qualitativ hochwertige unfallchirurgische Versorgungsstruktur vorgehalten werden sollte. Dies ist bereits jetzt mit drei unfallchirurgisch tätigen Oberärzten gewährleistet. Der unfallchirurgische Schwerpunkt dagegen sollte wie auch bei der Oberschwabenklinik, der Medius Klinik Kirchheim/Nürtingen und wie in Böblingen / Sindelfingen am Standort der Orthopädischen Klinik, also in Calw verortet sein. Eine alleinige unfallchirurgische Abteilung findet sich in allen verglichenen Klinikverbünden nicht.

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